15. August 1390: Brest erhält das Magdeburger Stadtrecht
Ein Meilenstein städtischer Autonomie im mittelalterlichen Belarus
Am 15. August 1390 wurde Brest (historisch auch als Bieraście, Brest-Litowsk, Brześć Litewski bekannt) als eine der ersten Städte im Großfürstentum Litauen mit dem Magdeburger Stadtrecht ausgestattet. Dies markierte den Beginn einer neuen Ära für die Stadt – rechtlich, wirtschaftlich und gesellschaftlich.
Das sogenannte Magdeburger Recht geht zurück auf das Stadtrecht der deutschen Stadt Magdeburg, das sich im Mittelalter zu einem der wichtigsten Modelle städtischer Selbstverwaltung in Mittel- und Osteuropa entwickelte. Es regelte die innere Organisation der Stadt, die Rechtsprechung, wirtschaftliche Rechte der Bürger und das Verhältnis zur Zentralmacht. Viele Städte im Heiligen Römischen Reich, in Polen, Böhmen, Ungarn und im Großfürstentum Litauen übernahmen dieses Recht als Vorbild – so auch Brest.
Mit der Verleihung dieses Stadtrechts erhielt Brest ein eigenes kommunales Selbstverwaltungssystem, das es aus der feudalen Verwaltungsstruktur herauslöste und direkt dem Großfürsten unterstellte. Das bedeutete Unabhängigkeit von lokalen Statthaltern und militärischer Verwaltung: Die Stadt wurde nun von einem vom Großfürsten eingesetzten Vogt geleitet, dem ein Stadtrat aus gewählten Bürgern zur Seite stand. Für die tägliche Verwaltung waren Bürgermeister zuständig, während ein unabhängiges Gericht für Strafsachen unter dem Vorsitz des Vogts fungierte. Für Zivilsachen war ein eigener Bürgerrat mitgerichtlich zuständig.
Das neue Recht hob den sozialen Status der Stadtbewohner erheblich: Sie wurden zu freien Bürgern mit dem Recht auf Grundeigentum, waren weitgehend von feudalen Pflichten befreit und durften eigene Unternehmen und Märkte betreiben. Die Errichtung eines Rathauses, die Einführung eigener Maße und Gewichte sowie Zoll- und Handelsprivilegien machten Brest zu einem wirtschaftlichen Zentrum der Region.
Leider verlor Brest sein Magdeburger Recht im Jahr 1795 infolge der dritten Teilung der polnisch-litauischen Adelsrepublik und der Eingliederung der Stadt in das Russische Reich – ein Bruch mit der jahrhundertelangen städtischen Selbstverwaltungstradition.