Belarus

Das Land in der Mitte Europas war jahrzehntelang für die meisten Westeuropäer ein weißer Fleck auf der Landkarte: unbekannt und unbeachtet.

Minsk ist wenig mehr als 1000 Kilometer von Berlin entfernt, und dennoch ist Belarus – vielen eher unter dem Namen Weißrussland geläufig – ein Land, über das die meisten wenig wissen. Fehlende persönliche Kontakte und negative Schlagzeilen zu den politischen Verhältnissen leisteten in den vergangenen Jahren Stereotypen über Belarus und seine Menschen Vorschub.

Dabei kann Belarus auf eine lange und reiche Geschichte zurückblicken, liegt es doch im Schnittpunkt von Kulturen und Konfessionen. Immer wieder wurden seine Menschen aber auch Opfer großer Kriege: Im napoleonischen Feldzug gegen Russland und in beiden Weltkriegen.

Das belarussische Territorium war über Jahrhunderte Teil anderer Staatsgebilde oder Imperien wie etwa des Großfürstentums Litauen (13. bis18. Jh.), des Königreichs Polen, der Rzeczpospolita (16. bis18.Jh.), des Russischen Zarenreichs (18. bis 20. Jh.) und der Sowjetunion (im 20. Jh.).

Der belarussische Nationalgedanke, eine belarussische Literatur und Geschichtsschreibung entstanden erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Im März 1918, nach dem Frieden von Brest-Litowsk, erfolgte die Deklaration der kurzlebigen Belarussischen Volksrepublik (BNR). Von 1922 bis 1939 war der Westen des heutigen Belarus Teil des polnischen Staates.

1991 beschlossen die Präsidenten der Belarussischen, Ukrainischen und der Russischen Föderativen Sowjetrepubliken die Auflösung der Sowjetunion. Damit erhielt die belarussische Bevölkerung erneut die Möglichkeit, einen eigenen Nationalstaat zu bilden.

Die Unabhängigkeitserklärung im Jahr 1991 führte zu internationalen politischen Kontakten, darunter auch zu Deutschland und der Europäischen Union. Die Beziehungen mit den westlichen Staaten entwickelten sich zunächst vielversprechend. Dazu trugen die zahlreichen zivilgesellschaftlichen Tschernobyl-Initiativen wesentlich bei, die in den belarussischen vom Fallout kontaminierten Gebieten Hilfe leisteten.

Einen Rückschlag erlitten die Beziehungen, nachdem 1996 ein umstrittenes Verfassungsreferendum die Gewaltenteilung in Belarus weitgehend aufhob. Der zwei Jahre zuvor gewählte Präsident Aljaksandr Lukaschenka legte damit den Grundstein für seine Alleinherrschaft. Daraufhin wurden die offiziellen Kontakte von Seiten der der EU weitgehend eingefroren.

Um die Gesprächsfäden nicht vollständig abreißen zu lassen, wurde 1997 die internationale Konferenz „Minsk Forum“ ins Leben gerufen. Das Format hat sich seither zu der zentralen Dialogveranstaltung im deutsch-belarussischen Verhältnis entwickelt, auch in politisch schwierigen Zeiten.

Die Konferenzen dienen der Aufrechterhaltung politischer, wirtschaftlicher und zivilgesellschaftlicher Kontakte zwischen Belarus auf der einen und Deutschland und der EU auf der anderen Seite. Darüber hinaus trugen sie lange dazu bei, dass die unterschiedlichen Akteure in Belarus – Nichtregierungsorganisationen, Regierung und Opposition – auf Augenhöhe miteinander sprechen konnten.

Im Sommer 1999, wurde die deutsch-belarussische gesellschaft e.V. (dbg) mit dem Ziel gegründet, das Spektrum der Projekte und Aktivitäten mit Belarus zu erweitern.

Seitdem hat sich die Dynamik der deutsch-belarussischen Beziehungen mehrfach verändert und dabei Höhen und Tiefen durchlaufen. Der absolute Tiefpunkt schien mit der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste gegen die gefälschte Präsidentschaftswahl im Sommer/Herbst 2020 und der bis heute anhaltenden Repressionswelle erreicht. Nachdem aber Lukaschenka das Land zum Aufmarschgebiet für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hatte werden lassen, wurden die Kontakte westeuropäischer Länder zu Belarus vollständig eingefroren.

Allen politischen Widrigkeiten zum Trotz bleiben der dbg Projekte mit Belarus ein Anliegen, um so zur internationalen Verständigung und Versöhnung beizutragen.